Donnerstag, 19. Juni 2008

London im Jahre 1307

Jede Stadt hat einmal klein angefangen – auch die Weltmetropole London an den Ufern der Themse im Südosten England.

Schon zur Zeit der Eroberung Britanniens durch die Römer war die Stelle, an der später London entstand, ein wichtiger Anlaufpunkt, da das Wasser der Themse hier flach war und der Fluss leicht überquert werden konnte. Eine zunächst kleine Siedlung, genannt Londinium, wurde an diesem Punkt nördlich der Themse gegründet, die durch ihre günstige Lage innerhalb der nächsten zweihundert Jahre der römischen Besatzung zur blühenden Hafen- und Handelsstadt wurde, der größten römischen Stadt Britanniens, in der wahrscheinlich mehrere zehntausend Menschen lebten.

Mit dem Verschwinden der Römer aus Britannien im vierten Jahrhundert wurde Londinium jedoch mehr und mehr sich selbst überlassen und war schließlich weitestgehend verlassen. Es dauerte weitere vierhundert Jahre, bevor die zu dem Zeitpunkt in England vorherrschenden Angelsachsen die Stadt wieder zu neuem, nennenswerten Leben erweckten.

Obwohl die Hauptstadt Englands zu dem Zeitpunkt Winchester war, wurde London im politischen und handelstechnischen Sinne vor allem unter dem angelsächsischen König Æthelstan immer wichtiger. Æthelred II. schließlich machte London zu seiner Hauptstadt.

Die Eroberung der Normannen unter William the Conquerer im Jahre 1066 wird in England als Beginn des Mittelalters angesehen, und in dieser Zeit bekam London das Gesicht, das es im Jahre 1307 besaß.

Bereits die Römer hatten eine Stadtmauer errichtet, die für die nächsten Jahrhunderte das Stadtbild Londons prägen sollte. Sie bildete lange Zeit die Grenze zwischen der Stadt und dem Umland, weshalb London zunächst fast ausschließlich innerhalb seiner Mauern wuchs, und kaum darüber hinaus. Etwas weiter flussaufwärts lag Westminster, das im siebten Jahrhundert um ein damals entstandenes Kloster gegründet, und um das Jahr 1200 zur Königsresidenz ernannt wurde. So schlug das Herz Englands an zwei dicht beieinander liegenden, aber doch getrennten Orten: die City of London war das Handelszentrum, und Westminster offizielle königliche Hauptstadt und Regierungszentrum.

Im Jahr 1307 lebten um die 80000 Menschen in dem kleinen London, das heute als die City of London gilt, der historische Kern der Stadt. Es heißt man hätte die damalige Stadt, seien die Straßen leer gewesen, innerhalb von zwanzig Minuten durchqueren können. So lebten Arm und Reich nah beieinander, Häuser wohlhabender Kaufmänner und Bauten wie Baynard’s Castle am Themseufer, das im Laufe der Zeit bis zu seiner Zerstörung im Großen Feuer 1666 als Festung, Haus und Palast diente, standen nur wenige Straßen entfernt von engen, schmutzigen Gassen, in der die ärmsten Bewohner Londons zu finden waren.

Auf den großteils ungepflasterten Straßen und Gassen wimmelte es von Leben. Nicht bei wenigen von ihnen verrät der Name, welche Güter man in ihnen erstehen konnte: Poultry beispielsweise war der Geflügelmarkt, in der Bread Street reihten sich die Bäcker, in die Threadneedle Street ging man, wenn man sich neue Kleider schneidern lassen wollte, und in die Candlewick Street, wenn man Kerzen brauchte. Cheapside war die Hauptstraße des Markts, eine der breitesten und saubersten der Stadt, in der sich viele Händler und Goldschmiede niedergelassen hatten. Wenn man dazu bedenkt, dass sich an ihrem östlichen Ende der größte Brunnen Londons befand, bekommt man eine Ahnung davon, wie geschäftig es in diesem Teil Londons zugegangen sein muss.

Die Straßen waren fast alle sehr schmal, die Häuser dicht an dicht gebaut, um die vielen Menschen aufzunehmen. Fast überall war es schmutzig, der Anblick von Ratten Normalität. Es gab offene Ablaufrinnen, und die Bewohner warfen oft ihren Dreck aus dem Fenster in die allgemeine Richtung dieser Rinnen. In Englands Städten war es üblich, dass jeder selbst für die Sauberkeit des Straßenabschnitts vor seinem Haus verantwortlich war, doch die einzigen Anlässe, sich daran zu halten, waren in den meisten Fällen ein Besuch des Königs oder ein Ausbruch der Pest, der 1307 jedoch noch dreißig Jahre auf sich würde warten lassen.

Die Häuser waren entweder aus Fachwerk oder noch völlig aus Holz gebaut, nur wenige konnten sich Steinbauten leisten, die Dächer waren teilweise noch mit Stroh oder Binsen gedeckt. Dadurch war die Stadt einer ständigen Feuergefahr ausgesetzt, und es war die Pflicht eines jeden Bürgers, bei einem Brand mit allem, was sie hatten, beim Löschen zu helfen. Zwar war im Jahre 1213 verboten worden, Häuser mit Stroh, Binsen oder Schilf zu decken und stattdessen Ziegeln oder Schindeln zu verwenden, und für Außenwände mehr Stein zu benutzen, doch wurde dieses Gesetz zunächst offenbar ignoriert. Innerhalb der Häuser war es oft dunkel, feucht und kalt, die kleinen Fenster sollten nur möglichst wenig Wärme nach draußen abgeben und wurden im Winter mit Stroh verschlossen.

Die einzige Brücke über die Themse war die London Bridge. Bereits die Römer hatten an dieser Stelle das erste Mal eine Brücke errichtet, die im Laufe der Zeit einige Male durch Eroberungsversuche und Brände beschädigt oder zerstört und wieder neu aufgebaut wurde. Im Jahr 1209 wurde schließlich die erste Steinbrücke fertig gestellt, auf der auch Häuser und in ihrer Mitte sogar eine Kapelle errichtet waren. Zur Sperrstunde abends zwischen acht bis neun Uhr wurde sie bis früh morgens für die Durchfahrt gesperrt, so wie die Stadttore geschlossen waren.

Die London Bridge führte nach Southwark, das zwar zu London gehörte, aber dennoch außerhalb seiner rechtlichen Kontrolle lag. Diese Tatsache machte es zu einem Anziehungspunkt für Kriminelle und freie Händler. Auch hier gab es einen Markt, den Borough Market, und das Gebiet war bekannt für seine Schenken, besonders The Tabard, die auch in Chaucers Canterbury Tales erwähnt wird.

Heute können wir uns nicht mehr wirklich vorstellen, wie das Leben in London Anfang des 14. Jahrhundertes gewesen sein muss. Natürlich, wir haben Quellen, die davon erzählen, wenige Bauten als Zeitzeugen, die nicht dem Großen Feuer von 1666 zum Opfer gefallen sind, doch auch durch sie können wir lediglich einen Eindruck gewinnen, bekommen eine Ahnung, ein Gefühl für das Vergangene.

Mehr wird uns wohl immer vorenthalten bleiben.


Quellen: siehe Schattenkrieg bei Oneview

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