Freitag, 20. Juni 2008

Faszination Vampir

Über keine andere Kreatur der Nacht wurde so viel geschrieben und so viele Filme gedreht wie über Vampire, keine andere vermag die Phantasie der Menschen so zu fesseln. Vampire sind allgegenwärtig – von der Karnevalsverkleidung als Dracula über das beliebte Kultmusical "Tanz der Vampire", die Anne Rice Chroniken, Filme wie "Underworld" oder "Van Helsing". Warum aber ausgerechnet Vampire? Was ist so speziell an ihnen, dass es sogar ganze Subkulturen gibt, die sich dem Vampirismus verschrieben haben?


Jahrelang war ich nur Ahnung in dir

Jetzt suchst du mich und hast Sehnsucht nach mir

Nun freu dich – uns beide trennt nur noch ein winziges Stück

Wenn ich dich rufe, hält dich nichts mehr zurück

Getrieben von Träumen und hungrig nach Glück

~ "Gott ist tot" , Tanz der Vampire ~


In den frühsten, ländlichen Legenden, die über die Blutsauger auftauchten, waren Vampire als brutale Monster gefürchtet, die nachts in die Hütten einbrechen und Menschen töten. Erst mit dem Aufkommen der modernen Schauerromantik, beginnend mit Bram Stokers bekanntem Roman "Dracula", begann sich das Bild des Vampirs zu wandeln.


Nächtliche Jäger

Heiß und schnell schoss sein Blut in ihren Mund und wie benommen schluckte sie es. Wie von weither hörte sie sein überraschtes Aufstöhnen, spürte, wie sich sein Griff lockerte, doch über allem hörte sie seinen pochenden Herzschlag, wie ein tiefes Pulsieren in ihrem ganzen Körper, als sein Blut durch ihren Mund rann und weiter heiß in ihre Adern floss. Die Welt verschwamm für einen Moment vor ihren Augen, wurde unwichtig, bedeutungslos, wie alles außer dem schnellen Pochen, der Hitze, der süßen Wärme…

~Schattenkrieg, Teil I~

Vampire sind gefährlich, daran besteht kein Zweifel. Sie sind die eleganten, lautlosen Jäger und ihre Beute sind die Sterblichen. Ob sie bei dieser Jagd tatsächlich töten oder nur wenige Schlucke nehmen und ihr Opfer erschöpft in den Seidenlaken nach einer leidenschaftlichen Nacht zurücklassen, bleibt sich im Wesentlichen gleich. Ein Vampir ist immer ein Raubtier, das sich meist nimmt ohne vorher lange zu fragen oder zu bitten.

Doch im Gegensatz zu anderen düsteren Kreaturen der Mythologie, wie Werwölfen, hat der Vampir meist auch eine nur allzu menschliche Seite, kann liebenswert, charmant, sarkastisch oder aber auch kalt, grausam und zynisch sein. Häufig werden Vampire, die ja oft über hundert Jahre und mehr zählen, als weise und den Menschen intellektuell wie auch in spiritueller Einsicht hin als überlegen dargestellt. Dieser Kontrast zwischen dem blutdurstigen, primitiven Raubtier und auf der anderen Seite fast idealisierten Übermenschen, die in der Figur des Vampirs vereint sind, ist eine Überzeichnung eines typischen menschlichen Konflikts: Hin- und Hergerissensein zwischen Bauch und Kopf, zwischen triebhaften Gefühlen und Wünschen auf der einen Seite und den kühlen Vorgaben des Verstandes und der Logik auf der anderen. Wir erkennen uns in der Figur des Vampirs wieder und wollen gleichzeitig so sein wie er, wollen intelligent und überlegen sein und zugleich unsere tiefsten Wünsche und Bedürfnisse ausleben.


Unwiderstehliche Verführung

Kühle, nackte Haut schmiegte sich gegen die ihre, hungrige Küsse ließen ihr Herz schneller schlagen und ein schwaches Stöhnen entfloh ihren Lippen, als sie sich seinen so wunderbar zärtlichen Berührungen hingab. Ceciles lange, schlanke Beine schlangen sich um seine Hüfte und ihre Finger vergruben sich fest in seinen weichen Locken, zogen ihn wieder zu sich, sodass sie ihn erneut küssen konnte. Hitze durchflutete ihren ganzen Körper und schwache Lichtpunkte schienen vor ihren Lidern zu tanzen als er seine Lippen weiter über ihren Hals wandern ließ.

~Schattenkrieg, Teil I~

Ironischerweise ist die einzige Möglichkeit, so wie der Vampir zu werden, seine Beute zu sein. In den meisten Vampirromanen wird ein Mensch in einen Vampir verwandelt, wenn letzterer ihm das Blut aussaugt und ihm anschließend noch von seinem eigenen Blut zu trinken gibt. Doch in den meisten Fällen haben die Unsterblichen dies gar nicht im Sinn, sondern es geht ihnen nur um Blut ihrer Beute, das sie benötigen, um ihre eigene unsterbliche Existenz aufrechtzuerhalten. Selbstverständlich kann es sich dabei auch um einen brutalen und gewalttätigen Akt handeln, doch in vielen Vampiruniversen kommt hier die Macht von Verführung und Erotik ins Spiel.


Doch ich geb dir was dir fehlt

Eine Reise auf den Flügeln der Nacht

In die wahre Wirklichkeit

In den Rausch der Dunkelheit

~ "Gott ist tot" , Tanz der Vampire ~


Vampire sind verführerische, begehrenswerte Kreaturen, ausgestattet mit jenem düsteren Charme, mit dem sie auf mehr oder weniger übernatürliche Weise Sterbliche an sich ziehen. Als betörend sinnliche Liebhaber oder Liebhaberinnen vermögen sie Menschen in einen wahren Rausch aus nie gekannter Ekstase und Begehren zu versetzen, dessen Höhepunkt in ihrem blutigen Kuss gipfelt. Die masochistische Lust, die sie dabei bereiten, jene vollkommene Kontrolle über Leben und Tod eines Menschen, trägt ebenfalls zu dem bei, was uns an Vampiren so stark anzieht, rührt an dunkleren Seiten unserer Persönlichkeit , die wir bei Tageslicht verstecken oder überspielen mögen.


Melancholie der Ewigkeit – zwischen Leben und Tod

Seine Hand schloss sich um den Stiel der Rose, so fest, dass sie zitterte und die Dornen in seine Handfläche stachen. Noch einmal blickte er hinab auf die friedlichen Gesichtszüge und hörte dumpf sein eigenes Herz schlagen, ein Beweis der Sterblichkeit, die auch in ihm noch ruhte, trotz der Unvergänglichkeit seines Körpers.

Wenn man die ganze Ewigkeit vor sich liegen hatte, vergaß man viel zu schnell, dass dennoch nichts ewig währte.

"Verzeih mir…"

~Schattenkrieg, Teil I~

Gefährlich, verführerisch, elegant – so ist das Erscheinen eines Vampirs in den meisten Adaptionen. Doch meistens haftet den Unsterblichen auch eine tragische, melancholische Note an, die ihren Ursprung eben in ihrer unsterblichen Existenz hat. Vampire sind tot, und dennoch wandeln sie auf Erden. Sie können in der Welt der Sterblichen in der Regel problemlos als solche durchgehen, doch sind kein wirklicher Teil davon. Wenn draußen die Sonne scheint, sind sie gezwungen, sich an dunklen Orten zu verstecken. Ihre Familien und Freunde aus sterblichen Tagen sind längst tot und ruhen in der Erde und vom beständigen Wandel des Lebens, von neuen Trends, Gewohnheiten oder Lebensweisen sind Vampire oft ausgeschlossen. Wie sehr ein Vampir sich auch anstrengen oder vergeblich danach streben mag am sterblichen Leben teilzuhaben, am Ende ist er immer nur eine räuberische Kreatur der Nacht, gierig nach dem Blut der Lebenden. Auch die hochtrabendsten Ziele werden angesichts der Ewigkeit lächerlich und nichtig. Was nutzt Geld, was nutzt Ruhm oder politische Macht über die Jahrtausende hinweg?


Ewigkeit ist Langeweile auf Dauer

Ein trostloser Kreislauf, kein Anfang kein Schluss

Denn stets wiederholt sich dasselbe von vorne

~ "Ewigkeit" , Tanz der Vampire ~


So stehen die Vampire früher oder später gezwungenermaßen einer Frage gegenüber, die auch viele Menschen plagt: Was ist der Sinn des (Un)lebens? Doch wo Menschen die Antwort in Gott oder im Glauben an die Wiedergeburt finden mögen, eröffnet sich für den Vampir ein Dilemma: Wenn es Gott gibt, wieso tut er es seinen Kreaturen an, für alle Ewigkeit nicht lebend und nicht tot auf Erden wandeln zu müssen? Gibt es vielleicht keinen gütigen, sondern vielmehr einen grausamen Gott? Oder ist Gott wirklich tot?

iese persönliche Tragik ist ein weiterer Teil der Faszination Vampir, denn sie lässt uns diese scheinbar übermenschlichen Kreaturen näherrücken. Ironischerweise ist genau das, was sie über uns hebt auch das, worum sie uns so schmerzhaft beneiden: Das Leben. Ihre eigene unsterbliche Existenz, ein Traum, so alt wie die Menschheit selbst, wird zu einer Last. Denn Leben ist bekanntermaßen nur bedeutungsvoll, wenn es auch einen Sinn hat.

ie Anziehungskraft der Vampirfigur hat somit neben dem generellen Reiz des Übernatürlichen und Unheimlichen ihren Ursprung in äußerst menschlichen Bedürfnissen und Wünschen: Ewiges Leben und Schönheit, Weisheit, Leidenschaft, Begehren aber auch paradoxen Gelüsten, wie Melancholie, Einsamkeit und die Lust an der Selbstaufgabe. Menschen, die sich für Vampire begeistern, werden vermutlich zumindest einige dieser Wünsche ihr eigen nennen. Vampire bieten viele unterschiedliche Facetten und überspitzter, moralischer Dilemma, welche Menschen nicht unvertraut sind. Solange diese existieren, solange werden Menschen sich weiter mit dem Mysterium Vampir beschäftigen, und solange ist kein Ende des Siegeszugs der Blutsauger in Sicht.


Wir sind gekommen – und bald gehört uns die Welt

Wir tauchen aus der Nacht – Passt auf! Jetzt wolln wir Glitzer und Glanz

Passt auf! Jetzt wollen wir alles uns ganz

Passt auf! Jetzt laden die Vampire zum Tanz

~ "Finale" , Tanz der Vampire ~

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